Künstlerische Entwicklung

Vor etwa 36 Jahren entschloss ich mich, meine Karriere als Wissenschaftler an Universitäten zu beenden, um mein Interesse an der Malerei intensiv zu verfolgen. Ich nahm während meines Aufenthalts als International Scholar an Kursen im „Art Department“ an der Boston University teil und besuchte über längere Zeit regelmäßig das „Drawing Study“ am Fogg Museum, Harvard University. Die auf diese Weise erworbenen Kenntnisse machten es mir möglich, die Kriterien professionell ausgeführter Kunst kennen zu lernen. Ich verbrachte mehrere Jahre damit, Zeichnungen von verschiedenen Meistern zu kopieren (Ingres, Raphael, Leonardo da Vinci, Michelangelo, Pontormo, Rembrandt, Daumier, Degas etc.).

Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, dem Prinzip der Ausbildung von Kunstmalern während der Renaissance zu folgen, nämlich, das Handwerk der Malerei anfänglich durch das Kopieren von Meisterzeichnungen zu erlernen. Die bis zur höchsten Ausprägung gebildeten Fähigkeiten zur idealisierten Abbildung durch Meister ihres Faches, führt beim Nachzeichnen zu einer Entwicklung tiefen Wissens gegenüber den professionellen Kriterien der Kunstgeschichte. Diese Kriterien können nicht im akademischen Sinne unterrichtet werden, weil Intellekt und Sprache viel zu ungenaue Werkzeuge sind, um die kunstvollen und feinen Nuancen des Ausdrucks auch nur annähernd zu beschreiben. Ich war in diesem Sinne dazu gezwungen, mir durch jahrelanges Üben meiner zeichnerischen Fähigkeiten ein Vokabular für „organische“ Linienführung, Proportionen der menschlichen Figur, Ästhetik der Bildgestaltung und vieles mehr anzueignen.

Nach etwa 4 Jahren, die ich ganztags mit dieser Tätigkeit verbrachte, begann ich mich mit Farben auseinanderzusetzen. So entstanden einige Bilder, die ich im Stil der Renaissance anfertigte. Das links dargestellte Ölbild (Leinwand, 110 cm x 155 cm) ist ein Beispiel für meine Versuche, die Komposition, die Anwendung von Farben und die Vermittlung atmosphärischer Präsenz nachzuvollziehen, wie sie zum Beispiel bei Titians Bildern zum Ausdruck gelangten. Als Vorbild für das obige Bild verwendete ich ein auf Kupfer gemaltes, kleines Gemälde (16,5 cm x 23,25 cm) eines unbekannten Meisters der Spätrenaissance. Die Gestik der Figuren und die Komposition übernahm ich mehr oder weniger direkt vom ursprünglichen Gemälde.
Als müsste ich die Entwicklungsgeschichte der Malerei im westlichen Kulturkreis durch mein eigenes Lernen nachvollziehen, begann ich im Anschluss, die Malerei des Impressionismus wertzuschätzen. So entstanden Landschaften und Stillleben, die sich in der Intention nicht wesentlich von dieser Richtung unterscheiden. Ich hatte die Überzeugung, dass die Impressionisten mit ihrer nicht immer übereinstimmenden, jedoch vordergründig revolutionären Idee zur Abbildung lichterfüllter Farbkombinationen die Malerei vor völlig neue Aufgaben stellten. Ich malte über längere Zeit Bilder (Landschaften, Stillleben, Portraits) auf eine Art und Weise, wie sie vergleichbar im Werk von Impressionisten und Postimpressionisten anzutreffen sind. Obwohl deren Stil mein Bewusstsein gegenüber Farben steigerte, missfiel mir die manchmal übersteigerte Zerlegung (George Seurat) von Darstellungen in Farbpunkte. So fühlte ich mich den Malern wie Paul Cezanne und Edgar Degas mit ihrer lichtvollen und farbintensiven Gestaltung von Bildern näher. Auch das Werk von Henri Matisse mit den zum Teil fauvistisch übertriebenen Farbharmonien war damals für mein zunehmendes Interesse an ungewöhnlichen Farbkombinationen wichtig. Eine Befreiung von den restriktiven Anforderungen der rein figurativen Malerei war für mich vor allem durch die zunehmende Sensibilität gegenüber „starken“ Farbkombinationen möglich. Der Begriff „stark“ ist nur ein Hilfsbegriff für ein Ensemble von Farbrelationen. Die Abstufungen der Farben sind so differenziert, dass ein Beziehungsfeld entsteht, welches, ähnlich wie bei Akkorden in der Musik, Reibungen und deren Auflösung enthält.



Werke von Paul Klee mit seinen Farbmosaiken weckten im Anschluss mein Interesse, ungewöhnliche Farbkompositionen und kreative, abstrakte Kompositionen in den Vordergrund meiner Arbeit zu stellen.
Ständige Begleiter meiner späteren Entwicklung waren auch die Stillleben von Giorgio Morandi. Er hatte die Fähigkeit, Objekte in seinen Stillleben als bedeutungsfreie Gestalten in einer mystischen Atmosphäre des Lichts aufzulösen.
Als besonders wichtigen Beitrag zur Malerei betrachte ich die Werke von Richard Diebenkorn. Seine Liebe zur Farbe, sein sensibler Umgang mit nahezu geometrischen Kompositionen und seine Umsetzung von Landschaften und Figuren zur Harmonie von „Licht/Schatten-Spielen“ haben nicht nur die kalifornische Gruppe von Malern um die Mitte des 20en Jahrhunderts beeinflusst, sondern er hat auch einen Markstein für die Entwicklung der „diszipliniert-sensiblen“ abstrakten Malerei weltweit gesetzt.
Ebenso wichtig sind für mich die Arbeiten von Peter Krawagna. Seine Malerei beindruckt durch die sorgfältige Gestaltung von Oberflächenstrukturen, sein Feingefühl für Farbrelationen und die an Minimalismus grenzenden, überraschend ungewöhnlichen Kompositionen.
Gegenwärtige Arbeiten
Meine gegenwärtigen Bilder sind Produkte ungeplanter Ästhetik. Normalerweise fange ich nach dem Auftragen von technischer Gelatine und Gesso mit dunkler Grundierung an. Der erste Pinselstrich lenkt die Arbeit in eine Richtung, die die nachfolgende Behandlung der gesamten Oberfläche beeinflusst. Ich reagiere unmittelbar auf visuelle Aspekte und Farben im Verlauf der malerischen Gestaltung. So entwickelt sich ein zusammengehöriges Ganzes, welches sich durch die miteinander verbundenen Details zu einer harmonischen Gesamtheit ausgestaltet. Dabei versuche ich, Offensichtliches, Hirngesteuertes zu vermeiden, um möglichst im unmittelbaren Eindruck zu bleiben. Es ist mein Bestreben, dass jeder Ausschnitt eines Bildes ein Bild für sich darstellt. Wichtig ist es auch, den Bezug zum Gesamteindruck nicht zu verlieren. Dieser beschriebene Vorgang erzeugt eine Spannung, die ich durch die fortlaufende Gestaltung beibehalten beziehungsweise zu intensivieren versuche.
Um im Verlauf des Malens möglichst flexibel bleiben zu können, verwende ich pulverisierte, reine und lichtechte Künstlerpigmente, die ich mit verschiedenen Medien versetze (Acryl-Binder, Kaltwachs, Kunstharz-Gel). Auf diese Weise kann ich die Farben sowohl „alla prima“ als auch als Lasuren mit verschiedener Farbdichte auftragen. Zur Akzentuierung verschiedener Strukturen im Bild verwende ich gleichzeitig Kohle- und Pastellstifte.
Ganz allgemein versuche ich, durch meine Bilder eine Resonanz zu einer sich intuitiv ausgestaltenden Harmonie herzustellen.
Wo die Bedeutung des Denkens seine Grenzen findet, beginnt der visuelle Ausdruck in meinen Arbeiten fesselnde Perspektiven aufzuzeigen.